Thema Wohnungsnot: Wir brauchen mehr Wohnungen!
Absolut richtig, aber wir brauchen vor allem bezahlbare Wohnungen in Köln. In Ehrenfeld erzielen von Investoren angebotene Neubauwohnungen bereits jetzt Verkaufspreise von 7.000€/qm und mehr. Wer heute beim Kauf einer 90qm-Wohnung inkl. Steuer und Notar über 700.000 € zahlen muss, wird diese nicht unter 18€/qm Kaltmiete, also 1600 € anbieten. Für das Projekt Franz-Geuer-Str. erwarten wir bis zur endgültigen Fertigstellung 2027 noch deutlich höhere Kauf- und Mietpreise, zusätzlich beflügelt durch die sehr stadtnahe Lage und die hervorragende Verkehrsanbindung.
Thema Mietpreise: Explosion des Mietspiegels in Ehrenfeld
Seit Jahren erleben wir trotz intensiver Bautätigkeit in Ehrenfeld kein spürbar wachsendes Angebot an Wohnraum, sondern eher das Gegenteil – und erst recht keine Preisentspannung. Der Grund dafür: Wenn im Umfeld immer mehr hochpreisige Wohnungen entstehen, entwickelt sich der Mietspiegel automatisch nach oben, da dieser auf Durchschnittsmieten basiert. So verliert die für bereits bestehende Wohnungen theoretisch geltende Mietpreisbremse einen großen Teil ihrer Wirkung. Über 300 Wohnungen im Hochpreissegment, wie vom Investor auf dem Siemens-Gelände geplant, werden diese Entwicklung zusammen mit den übrigen Neubau-Großprojekten in Ehrenfeld weiter verschärfen.
Mieterhöhungen im ganzen Viertel sind dann legitim und damit auch wahrscheinlich.
Thema Mietpreise: Die Mietpreisbremse in Köln verhindert Mietwucher.
Theoretisch ja, allerdings sind laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Mieten in Gebieten mit Mietpreisbremse sogar stärker gestiegen als in Städten ohne Mietdeckel. Außerdem hat das Amtsgericht Köln schon im Februar 2019 die bestehende Regelung kassiert, so dass die Mietpreisbremse derzeit gerichtlich nicht durchsetzbar ist. Davon abgesehen galt sie ohnehin nicht für Neubauten, sondern nur für bestehenden Wohnraum. Auch plant die Landesregierung offenbar keine Verlängerung der Verordnung.
Die gut gemeinte Wohnungspolitik der Stadt geht damit ordentlich nach hinten los!
Thema Mietpreise: 30% der geplanten Wohnungen sind öffentlich geförderter Wohnraum mit Mietpreisbindung.
Das ist grundsätzlich richtig: Laut Investor sollen 129 der insgesamt 430 Wohnungen öffentlich gefördert werden und damit einer Mietpreisbindung von derzeit 7,60€+NK unterliegen (Stand 2020). Diese Wohnungen dürfen nur an Mieter mit Wohnberechtigungsschein (WBS) vergeben werden. Im Gegenzug hilft das Land mit vergünstigten Darlehen bei der Finanzierung. In Zeiten von Negativzinsen sind solche Finanzierungshilfen jedoch kein wirksamer Anreiz für eine langfristige Mietpreisbindung.
Welcher Zeitraum für den Investor Corpus Sireo gilt, wurde bisher nicht öffentlich kommuniziert. Es gibt viele verschiedene Modelle über aktuell 20 und 30 Jahre, aber auch viele Schlupflöcher, um die Bindung drastisch zu verkürzen. So kann z.B. bei Rückzahlung der öffentlichen Darlehen durch den Investor die Bindung sofort entfallen. Das Gleiche gilt bei Eigennutzung: Wenn etwa ein Student mit WBS in eine öffentlich geförderte Wohnung zieht, könnte er mit finanzieller Unterstützung von Verwandten die Wohnung zum Eigennutz erwerben und dadurch die Mietpreisbindung verkürzen bzw. beenden. (WFB2020 2.6)
Thema Klimaschutz: Ein Neubau ist energieeffizienter als der Erhalt des bestehenden Gebäudes
Auf den ersten Blick scheint das einleuchtend, weil heute viel strengere Auflagen z.B. für die Wärmedämmung gelten als vor 50 Jahren. Leider wird dabei oft ausgeblendet, wie viel klimaschädliche Energie in die Erstellung des vorhandenen Gebäudes geflossen ist, welche enormen Mengen an Energie Abriss und Entsorgung zusätzlich kosten würden – und wie extrem energie- und ressourcenintensiv die anschließende Errichtung eines Neubaus wäre. Laut dem Statistischen Bundesamt ist die Bauindustrie weltweit absoluter Spitzenreiter vor allen anderen Industrien, was Ressourcen-, Energie- und Wasserverbrauch angeht. Bau- und Abbruchabfälle verursachen in Deutschland zudem 52% der gesamten jährlichen Müllmenge.
Die Antwort auf die Frage, ob ein intaktes Gebäude abgerissen wird, was dort gebaut wird und wie, darf daher nicht allein den Renditeüberlegungen des Investors überlassen bleiben. Dass ein radikales und sofortiges Umdenken erforderlich ist, hat auch die Europäische Kommission erkannt und im Rahmen des Green Deal die Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ gestartet: Ziel ist eine Bauwirtschaft, die auf natürliche Materialien setzt, Nachhaltigkeit und Wiederverwendbarkeitvon Anfang an einplant und so zur angestrebten Klimaneutralität unserer Städte beiträgt.
Der durch die Corona-Pandemie ausgelöste Trend zum Home-Office wird von Unternehmen absehbar zur Reduzierung von Büroflächen führen. Daher brauchen wir auf breiter Ebene neue Modelle für Bestandsgebäude statt Abrissbirne.
Thema Stadtentwicklung: Das geplante Projekt fügt sich doch gut in die Umgebung ein!
Die heutige Wohnbebauung entlang der Stammstrasse und der Franz-Geuer-Straße sowie im näheren Umfeld besteht überwiegend aus 3 – 4 Geschossen. Die geplante Bebauung wird dagegen vorwiegend 5 – 6 Geschosse, an 3 Punkten auf der Rückseite sogar 8 Geschosse umfassen. Die Bauhöhe beträgt dabei größtenteils 19,20 m, an den höchsten Punkten sogar 25,20 m. Damit würde die Anlage sämtliche Gebäude der unmittelbar angrenzenden Straßen deutlich übersteigen. Am Ende der Everhardstraße, wo heute Baumbestand und ansonsten freie Sicht Richtung Franz-Geuer-Straße das Bild prägen, soll ein 19,2 m hoher Wohnblock entstehen. In umgekehrter Richtung, am Ende der Franz-Geuer-Straße, wird die Sichtachse sogar durch 21,9 m Bauhöhe abgeschnitten.
Die Argumentation des Projektentwicklers Corpus Sireo, wonach die geplante Bebauung die Höhe des bestehenden Siemens-Gebäudes nicht übersteigen wird, verschweigt ein entscheidendes Detail: Dass nämlich das Siemens-Gebäude terrassenförmig angelegt ist und seinen höchsten Punkt erst im mittleren hinteren Bereich des Geländes erreicht, also weit entfernt von den angrenzenden Straßen. Die vom Investor geplante Blockrandbebauung wird sich jedoch unmittelbar entlang der Stammstraße und der Franz-Geuer-Straße erstrecken, mit Bauhöhen zwischen 16.20 m und 21,9m.
Thema Stadtentwicklung: Die vielen Bäume und Grünflächen im Plan sind doch ein Plus!
Der üppige Baumbestand im Lageplan der Architekten ist leider überwiegend reine Dekoration und entspricht weder der heutigen noch der zukünftig geplanten Realität: So sind in der Everhardstraße Bäume zu sehen, die bereits heute nicht existieren, während die in der Stammstraße und Franz-Geuer-Straße in den Plänen größtenteils gar nicht auftauchen dürften, weil sie gefällt werden sollen: Die Vorlage solcher Pläne als Basis der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung bedeutet aus unserer Sicht eine klare Täuschung der Öffentlichkeit!
Tatsache ist: Auf dem Areal selbst ist lediglich in den beiden, nur den Bewohnern zugänglichen Innenhöfen, höherer Baumbestand überhaupt möglich. Unterhalb der öffentlich zugänglichen Flächen wird dagegen, wie bereits heute, eine Tiefgarage die Anpflanzung hochwachsender Bäume verhindert. Somit ist nicht zu erwarten, dass die Begrünung nennenswert über das hinausgehen wird, was heute auf dem Siemens-Gelände sichtbar ist, während den angrenzenden Straßen der Kahlschlag droht. Nettogewinn = Null.
Thema Klimaschutz: Eine weitgehend autofreies Wohngebiet ist doch ein Traum!
Aus Sicht des Investors ist das zweifellos ein hervorragendes Verkaufsargument. Autofrei bedeutet jedoch nicht, dass die Bewohner auf Autos verzichten werden, sondern nur, dass diese unterhalb der Anlage in Tiefgaragen geparkt werden. Der Zusatzverkehr von dort bzw. dorthin belastet stattdessen die Franz-Geuer-Straße und auf der anderen Seite das verkehrsberuhigte Wohngebiet Stammstr. – Christian-Schult-Str. – Gutenbergstr. und kreuzt dort sogar den Schulweg zur Grundschule Everhardstraße.
Thema Klimaschutz: Mehr Grünflächen und eine geringere Versiegelung des Geländes sind ein Gewinn für Ehrenfeld!
Der Preis dafür ist zunächst einmal der Verlust aller Bäume in der Stammstraße und der meisten in der Franz-Geuer-Straße: Diese sollen gefällt werden, obwohl der alte Baumbestand entlang des Siemens-Geländes unter die Baumschutzsatzung der Stadt Köln fällt.
Unversiegelte Fläche ist leider auch keineswegs gleichbedeutend mit Grünfläche! Der öffentlich zugängliche Grünflächenanteil soll lediglich 4,7% oder 888m2 betragen, also nicht einmal 30x30m.
Ein vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW erstellter Bericht kam bereits 2013 zu dem Ergebnis, dass nahezu das gesamte linksrheinische Stadtgebiet einschließlich Ehrenfeld ein stadtklimatisches Belastungsgebiet höchster Ausprägung darstellt.
Das kooperative Baulandmodell, das dem Vorhaben zugrunde liegt, schreibt zwar für ein Projekt dieser Größenordnung die Neuschaffung von nahezu 10.000m2öffentlicher Grünfläche vor. Diese Auflage konnte der Projektentwickler mit Verweis auf im Umfeld vorhandene Grünflächen jedoch aushebeln. Dabei ist unbekannt, auf welche man sich konkret beruft. Denn laut dem Amt für Stadtentwicklung und Statistik gehört Ehrenfeld bereits heute zu den am dichtesten besiedelten Stadtteilen Kölns – und verfügt gleichzeitig über einen der geringsten Erholungsflächenanteile im Stadtgebiet. Dass sich im nächsten Umfeld außerdem die Innere Kanalstraße mit extremem Schadstoffausstoß befindet, wird ebenfalls nicht weiter berücksichtigt.
Thema Stadtentwicklung: Nachverdichtung ist notwendig, um den Bedarf an Wohnraum zu decken.
Wir sind ausdrücklich für die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum auf dem Siemens-Gelände, aber auf maßvolle Weise. Ehrenfeld gehört schon heute zu den am dichtesten besiedelten Stadtteilen Kölns mit gleichzeitig einem der geringsten Anteile an Erholungsflächen. 430 neue Wohnungen auf dem engen Areal zwischen Subbelrather Straße und Venloer Straße bis zur Gutenbergstraße, das heute etwa 1400 Wohnungen umfasst, bedeuten einen massiven Anstieg um rund 30% – also 30% mehr Verkehr, mehr Bedarf an Schulplätzen, mehr Kunden im Einzelhandel und Patienten in Arztpraxen! Ein echter Stresstest für das Viertel, denn: Zusammen mit der Vielzahl weiterer, im Bau befindlicher Wohnanlagen – u.a. Helios-Gelände, Grüner Weg, Ehrenfeldgürtel, Gutenberg-Karrée, Güterbahnhof Ehrenfeld – entsteht ein Einwohnerzuwachs, der sich voraussichtlich nicht ohne weiteres „verlaufen“ wird.
Vielleicht nochmal zur Ideenfindung für Alternativen:
https://adapter-stuttgart.de/
https://ttong.com.vn/
Beide Adressen aus
https://www1.wdr.de/fernsehen/dokumentation-und-reportage/videos/video-reset–anders-wohnen-100.html
Lieber Werner,
vielen Dank für die Links.
Ich habe die WDR Sendung auch gesehen. Sollte jeder Stadtplaner*Innen gesehen haben!
Liebe InitiatorInnen von Pros&Cons,
die aktuelle Planung betrachtend wurde keiner der o.a. Einwände in die Planung mit aufgenommen. Die damalige “Öffentlichkeitsbeteiligung” nur ein Deckmantel für die “Verkaufsveranstaltung”. Auf meine damaligen Einwände (mit z. B. Schattenwurfskizzen in den Karrees – hier wird auf Grund der Gebäudehöhen fast kein Sonnenstrahl die Erde treffen und damit eine “hochwertige Bepflanzung” sinnlos machen), rechtzeitig an Herrn Spelthann versandt, erhielt ich zwar eine Empfangsbestätigung, doch mehr nicht. In den letzten Tagen wurden alle Robinien gefällt. Der Anblick lässt das Herz bluten.
Kann ich mich noch irgendwie an einer Protestaktion gegen dieses worst case Szenario beteiligen oder ist der Zug dafür bereits abgefahren.
Viele Grüße
Christoph Buchal